Freitag, 13. Dezember 1985
Richard sieht auf die Uhr. Die Zeit drängt!
Er will zurück ins Camp, bevor es dunkel
wird. Er steht auf, schließt Knopf und
Ledergürtel, steckt das blaukarierte
Baumwollhemd in den Hosenbund und
greift vier der Plastik-Karaffen. Karim folgt
ihm, nimmt den Hausschlüssel von der
Kommode und packt die anderen zwei
Behälter. Sie gehen durch den kleinen Flur
und an der Küche vorbei. Richard wirft
einen Blick hinein. Neben dem Gasherd,
auf dem eine Flamme blau-gelb züngelt,
sitzt eine für ihre Körpergröße zu schwere
Frau. Der mit Sonnenblumen bedruckte
Kittel umhüllt nur mit Mühe ihren Leib.
Dem Baumwolltuch, das vom Kopf in den
Nacken gerutscht ist, schenkt sie keine
Beachtung. Andächtig saugt die Frau,
deren dunkelblondes, glattes Haar straff
nach hinten gebürstet ist, am Schlauch
einer Wasserpfeife.
„Meine Tante!“, stellt Arasteh im
Vorbeigehen die Raucherin vor.
„Sie kocht für uns. Davon bekommt sie
immer Kopfweh. Sagt sie jedenfalls. Ein
wenig Opium in die Pfeife und ihre
Kopfschmerzen sind wie weggeblasen!“
Arasteh reibt sich die Nase, die von der
Seite her gesehen Ähnlichkeit mit dem
Schnabel eines Falken hat.
„Chodâ haféz!“, grüßt die Frau Richard und
schiebt das abgekaute Mundstück wieder
zwischen die Lippen.
„Chodâ haféz! Auf Wiedersehen!“,
ruft Richard zurück.
Mittwoch, 23. Juli 1986
„Zwanzigtausend Mark in bar!“, stößt
Richard hervor. „Keine Quittung oder so!
In gebrauchten Scheinen.
In einem unauffälligen Briefumschlag!
Nur du und ich!“.
Raff hält die Faust vor den Mund
und räuspert sich.
„Was muss ich dafür tun?“
Richard sieht sich im Speisesaal um.
Keiner der Gäste ist an dem Gespräch
der beiden interessiert. Die Kellner sitzen
entfernt an einem Sechsertisch neben dem
Eingang zur Damentoilette, ziehen an ihren
Zigaretten und starren Löcher in die Luft.
„Lass uns erst einmal kalkulieren.“, sagt
Richard. „Dann sehen wir weiter!
Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass wir
die Möglichkeit erhalten, Seiten der Offerte
oder eventuell sogar das Anschreiben
zu unserem Angebot auszutauschen,
nachdem wir wissen, wie der Wettbewerb
angeboten hat!“
„Das muss aber verdammt schnell über die
Bühne gehen! Quasi über Nacht, bevor die
Damen in der Kalkulation die Angebote
zum Nachrechnen in die Hände
bekommen!“, wirft Raff, der plötzlich
besorgt scheint, ein.
Richard nickt.
Reinhard Jalowczarz
KORRUPT auf Gedeih und Verderb
Roman
ISBN 978-3-8448-7172-2
ISBN 9783848286218 (E-Book)
Reinhard Jalowczarz
Roman
© Reinhard Jalowczarz und Atelier Donatius & Jalowczarz